Michael Ziffels Manufaktur
Foto: Michaela Hanf

Michael Maria Ziffels

YP, sink (think), let's lettz 3
vita
Michael Maria Ziffels – Ein Portrait. Michael Maria Ziffels, geboren in Viersen, ist ein vielseitiger Komponist und Musiker, der sich mit innovativen und tiefgründigen Werken einen Namen in der zeitgenössischen Musikszene gemacht hat. Seit 2022 ist er künstlerischer Leiter des Festivals «ACHTELTON – Werkstatt für Neue Musik». Ziffels kompositorisches Schaffen umfasst ein breites Spektrum von Vokal- und Bühnenwerken, Kammermusik sowie Ensemble- und Multimediakompositionen. Seine Kompositionen zeichnen sich durch gesellschaftskritische Inhalte, emotionale Tiefe und häufig durch den Einsatz moderner Technologien aus. Er arbeitet eng mit zeitgenössischen Autor:innen wie Ulrike Draesner zusammen. Neben seiner Arbeit als Komponist und Kurator von ACHTELTON engagiert sich Ziffels in verschiedenen Projekten, u.a. mit dem «Ensemble Endliche Automaten». Diese Projekte unterstreichen sein Bestreben, Musik als interdisziplinäres und interaktives Erlebnis zu gestalten. Michael Maria Ziffels lebt und arbeitet in Hitzacker (Elbe) und hat sich der Förderung und Verbreitung zeitgenössischer Musik verschrieben. Mit seiner Arbeit trägt er maßgeblich dazu bei, das kulturelle Leben in seiner Region zu bereichern und neue musikalische Wege zu beschreiten.
programmtext

YP / Fractal* für Klavier, Keyboard, TamTam, Live-Video und Elektronik
DOGGERLAND VI: sink (think)* für Bassstimme, Basstuba, Klavier, Keyboard und Elektronik | Text: Ulrike Draesner
DOGGERLAND VIII: Let’s fettz 3* für Sopran, Bass, Live-Elektronik und Video | Text: Ulrike Draesner

* Die Komposition wurde ermöglicht durch die Unterstützung der NIEDERSÄCHSISCHE SPARKASSENSTIFTUNG und der SPARKASSE UELZEN LÜCHOW-DANNENBERG

DOGGERLAND VIII — POST DROWN — MOMENTS OF GLORY — LET’S FETTZ 3

Textanalyse: Verfettung, Dekadenz und digitale Fragmentierung

Ulrike Draesners Gedicht «DOGGERLAND VIII — POST DROWN — MOMENTS OF GLORY — LET’S FETTZ 3» aus dem Langgedicht Doggerland spielt auf vielfältige Weise mit Sprache, Bedeutung und Kontext. Es evoziert eine düstere, fast dystopische Welt, in der moderne Technologien, Konsumverhalten und soziale Beziehungen miteinander verschmelzen und gleichzeitig fragmentiert werden. Schon der Titel «let’s fettz» verweist auf eine ironische Betrachtung der Gegenwart – eine Zeit, die von Überfluss und digitaler Entfremdung geprägt ist.

Der Titel: «let’s fettz» als Spiegel einer verfetteten Gesellschaft

Die bewusste Veränderung von «fetz» zu «fettz» kann als Kritik an der modernen Gesellschaft gelesen werden, die von Konsum, Bequemlichkeit und Trägheit bestimmt wird. Ursprünglich steht das Wort «fetzen» für Dynamik, Energie und Lebendigkeit – etwa im Sinne von „lasst uns loslegen“ oder „lasst uns abgehen“. Doch durch die Umformung zu «fettz» wird diese Energie in etwas Schweres, Überladenes verwandelt. Fett symbolisiert hier die Überfülle und das Übermaß, das in Trägheit und Stillstand mündet. Dies kann sowohl körperlich als auch im übertragenen Sinne als Kritik an der Überkonsumgesellschaft verstanden werden, die sich im Wohlstand suhlt, aber dadurch an Lebendigkeit einbüßt.

Die Ironie liegt in der vermeintlichen Aufforderung «let’s fettz»: Es ist nicht mehr das energiegeladene „Abgehen“, sondern ein resignierter Aufruf, sich in der verfetteten und überladenen Konsumkultur niederzulassen. Der Zusatz 3 verstärkt den Anklang an digitale Kultur und könnte als Verweis auf ein zunehmend automatisiertes und oberflächliches Leben verstanden werden, in dem Menschen durch ihre technologischen Geräte und digitalen Profile leben, statt wirklich präsent zu sein.

Fragmentierung und Entfremdung: Natur, Heimat und digitale Realität

In den Zeilen «bildinfo vertrocknender bäume» wird die natürliche Welt zur bloßen „Bildinformation“ degradiert. Die Bäume, Sinnbilder für Leben und Natur, verdorren, und das, was von ihnen übrig bleibt, sind digitale Repräsentationen – Daten, die in einer entmenschlichten Realität nur noch als Information existieren. Die Verknüpfung von Heimat als «heizdecke» verstärkt dieses Bild: Heimat ist nicht mehr ein Ort der Verwurzelung, sondern wird zur bequemen Wärmedecke, die zwar Schutz bietet, aber auch erstickend und lähmend wirkt. Sie deutet auf eine Art Rückzug in Komfortzonen hin, in denen das Unangenehme ferngehalten wird, während die Außenwelt verdorrt und verfällt.

Weiter geht es mit «basis und bassett untern arm geklemmt» – einer merkwürdigen Kombination von Begriffen, die in ihrer Absurdität das Dasein in einer Welt voller Widersprüche und Überfluss illustrieren. Die „Basis“ könnte für die fundamentalen Elemente des Lebens stehen, während der „Bassett“ (ein Haushund) symbolisch für Häuslichkeit und Kontrolle steht. Diese Mischung aus ernsten und banalen Elementen spiegelt die Allgegenwart von Konsum und Überfluss wider.

Der «kopter-dad» beschreibt eine technisierte Vaterfigur, die durch ihre Drohne über die Szenerie wacht, dabei aber gleichzeitig einen „Gartenbunker“ aushebt – ein Sinnbild für Rückzug und Selbstschutz in einer gefährlichen, vielleicht post-apokalyptischen Welt. Hier vermischen sich Sicherheit und Kontrolle mit Paranoia und Isolation.

Körper und Konsum: Torso und Content

Mit der Zeile «latsch ich – torso rosso (sonne so gesund)» wird das Thema der körperlichen Fragmentierung und der flüchtigen Materialität des Menschen weitergeführt. Der Sprecher bewegt sich («latsch ich») von einem Ort zum anderen, doch der Körper ist nur noch ein Torso – eine physische Hülle ohne Lebendigkeit. Der Zusatz «rosso» (rot) verstärkt die Idee der körperlichen Zurschaustellung in der Sonne, wobei die Ironie darin liegt, dass die „gesunde“ Sonne und der rot glänzende, eigentlich sonnenverbrannte Körper nur oberflächliche Zeichen von Vitalität sind. In Wahrheit ist der Körper genauso leer und fragmentiert wie die Umwelt.

Der Übergang von «container» zu «content» in «von container zu content» bringt zum Ausdruck, dass physisches Anhäufen durch ebenso unreflektierten digitalen Konsum ersetzt wird. Statt materieller Dinge werden endlose Datenströme konsumiert, die von Algorithmen bereitgestellt werden. Der Mensch bleibt ein passiver Konsument, während die Tiefe und der tatsächliche Wert der Inhalte verloren gehen.

Oberflächen und Glamour: Kosmetik der Leere

Besonders eindrücklich ist die Passage «cosy-posy hammer-glamour», die die Überflutung durch Oberflächlichkeiten beschreibt. Hier wird der Fokus auf den Konsum von Luxus, Mode und Äußerlichkeiten gelegt. Die Begriffe «cosy-posy» (gemütlich und dekorativ) und «hammer-glamour» (übertriebener Glamour) sprechen für eine Gesellschaft, die von Komfort und Glamour besessen ist, aber keinerlei Tiefe oder Substanz bietet.

Der Zusatz «diva dolphin» und «glattes poly-mich-amor» verstärkt dieses Bild: Die Diva und der Delfin symbolisieren eine glatte, polierte Oberfläche – repräsentativ für die Selfie-Kultur und die mediale Zurschaustellung von Schönheit und Luxus. «poly-mich-amor» ist ein Zerrbild von „Polyamorie“ (viele Liebesbeziehungen), die hier in einer modernen, verkümmerten Form erscheint: Narzissmus und Egozentrik geben lediglich Raum für flüchtige, oberflächliche Verbindungen, die keine Tiefe oder Beständigkeit haben.

Die Gesellschaft der Oberfläche

In dieser Analyse wird sichtbar, wie Draesner auf die übersättigte und oberflächliche Gesellschaft unserer Zeit abzielt. Sie skizziert ein Bild einer Welt, in der Konsum, Technologie und übermäßige Oberflächlichkeit das Menschsein zersetzen. Die Gesellschaft bewegt sich von einer dynamischen, kreativen Vitalität hin zu einer statischen, verfetteten und materialistischen Lebensweise, in der selbst zwischenmenschliche Beziehungen und die Natur nur noch als Content oder Bildinformationen existieren.

Draesners Sprache ist dabei ebenso fragmentiert wie die Gesellschaft, die sie beschreibt. Durch Neologismen, unzusammenhängende Bilder und bewusste Brüche in der Syntax spiegelt der Text die Überforderung und Zersetzung wider, die mit einer Welt des Überflusses und der digitalen Fragmentierung einhergehen.

Michael Maria Ziffels, Hitzacker im August 2024
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