Neue Musik in Hitzacker (Elbe)

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Foto: Valerio Sannicandro

Valerio Sannicandro

Esercizi di morte (Todesübungen)

Esercizi di morte (Todesübungen), für Klavier und Schlagzeug

Dieses kurze und introvertierte Stück für Klavier und Schlagzeug ist klangliche Reflexionen über verschiedene soziale, politische und kulturelle Erfahrungen der letzten Jahre und umrahmt einen kontemplativen Status ohne jegliche Entwicklung, statisch und bedrückend in seinem Klangcharakter, das zunächst ein Gefühl der Leere zum Ausdruck bringt, eine innere Anspannung oder Angst, ein schweres Gefühl der Dunkelheit ganz am Ende. Obwohl Esercizi di morte (Todesübungen) als politisch-spirituelle Aussage angesehen wird, erinnert es an Ignazio di Loyolas Esercizi “Spirituali”.

Für ihn war eine Phase des Nachdenkens notwendig, um zu verstehen, wie solche Übungen (oder Gedanken) ein Spiegel dieser Situationen sein würden, die Menschen schnell zu einer nihilistischen, negativen, wenn nicht sogar selbstzerstörerischen Haltung führen würden, indem sie Kompromisse mit den grundlegenden Menschenrechten eingehen. Das von der Musik getragene Gefühl der zeitlosen Leere und Distanz kristallisiert Gefühle und unausgesprochene Worte und stellt gleichzeitig ein Gefühl der Isolation dar, das schließlich in einen Protestschrei übergeht.

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Valerio Sannicandro wurde in Italien geboren, zog aber relativ bald nach Deutschland, wo er sich immer mehr der zeitgenössischen Musik zuwandte. Er studierte Komposition in Köln bei York Höller (Dissertation: „Komposition als semiotischer Prozess“), in Frankfurt bei Hans Zender und Dirigieren mit Peter Eötvös. Er schloss das Ph.D. in Musikwissenschaft an der TU-Berlin ab (Dissertation: „Raum und Räumlichkeit als diskrete Parameter in der Musikkomposition“).

Auftritte als Dirigent hatte er in Köln (Triennale Köln, WDR-Orchester), Darmstadt (Ferienkurse), Spanien (Festival de Canaria) und Avignon (Centre Acanthes) mit Werken von Karlheinz Stockhausen (Uraufführung von „Hoch-Zeiten“) Varèse, Carter , Grisey, Fedele und Donatoni, unter anderem. Gewinner mehrerer Kompositionswettbewerbe in Deutschland (u.a. Claudio-Abbado- Kompositionspreis, MUSICA VIVA, München 2002 und 2010, Giga-Hertz-Produktionspreis 2012) und Italien sowie dem Kranichsteiner Musikpreis 2000 der Darmstädter Ferienkurse.

Er wurde zu Konferenzen und Workshops nach Paris (Ecole nationale supérieure d’architecture) eingeladen. Prag (Musikakademie), Berlin (Humboldt-Universität), Tokio (Kunitachi College und Nihon-Universität), Nagoya (Aichi-Universität) und war 2002 war er Lehrer bei den Darmstädter Ferienkursen.

Seine Kompositionen wurden unter anderem von Salome Kammer, Mario Caroli, Peter Veale, Marco Blaauw, Francesco D’Orazio, Ensemble Intercontemporain, Ensemble Modern, Sharoun Ensemble, Orchester des Bayerischen Rundfunks, Ensemble Recherche, Repertorio Zero, Kroumata, AlterEgo, Musikfabrik, usw. aufgeführt. Sie wurden vom BR, HR, MDR, WDR, Radio France und RAI aufgezeichnet und ausgestrahlt und in ganz Europa, Japan, den USA und Kanada aufgeführt. Kompositionsaufträge erhielt er unter anderem von den Darmstädter Ferienkursen, der Bayerischen Staatsoper, den Donaueschinger Musiktagen, IRCAM und der Biennale di Venezia. Seine Arbeit und seine Forschung, hauptsächlich zum Aspekt der Verräumlichung, wurden für das Jahr 2003 von der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR sowie vom IRCAM gefördert, wo er als „Compositeur associé“ in einer Forschungsgruppe zur Verräumlichung arbeitete. Später promovierte er an der TU Berlin (Dissertation: „Raum und Räumlichkeit als diskrete Parameter in der Musikkomposition“) auf der Grundlage seiner Forschungen zur Analyse von Resonanzmoden.

Zu den jüngsten Projekten gehören „Visio-Fictio“ (2022) für 24 Stimmen und 3 Bratschen in einem separaten Raum, „Iter-Reti (2023) für 6 Instrumente in 2 Räumen und Live- Elektronik, „Ius Lucis“ (2006/2007) für zwei Ensembles in zwei Musiksälen (im Auftrag von IRCAM) und „Forces Motrices“, ein groß angelegtes Werk für Orchester und Live-Elektronik. Eine neue CD („Kammermusik“ TLS 105) unter der Leitung des Autors ist bei TELOS Records erschienen, „Ius Lucis“ (WERGO – WER 20652) mit Musikfabrik unter der Leitung von Pierre-André Valade. Er wurde für das Rostrum der Komponisten 2006 ausgewählt und war in der Saison 2008-2009 Composer in Residence am Staatstheater Cottbus und ab 2008 Composer in Residence am ZKM Karlsruhe (Deutschland), wo zwei CDs für WERGO produziert wurden. Von 2008 bis 2015 war er zunächst „Composer in Residence“, dann Kurator eines neuen Musikprojekts des Philharmonischen Orchesters Cottbus (Deutschland).

Seine Werke werden von Edizioni Suvini-Zerboni (Mailand) veröffentlicht.