Foto: Frank Weylo

Ich, Tristan!

Ich, Tristan

Claudia Roth, unsere geschätzte Kulturstaatsministerin, wagte es, in den heiligen Hallen Bayreuths einen Vorschlag zu machen, der Wagnerschen Sturm und Drang entfesselte.
Sie, unerschütterlich wie eine Brünnhilde im Angesicht des Drachen, verteidigte ihre Idee, das ehrwürdige Festspielhaus mit dem Ziel, eines der wichtigsten Festivals auf der Welt für junge Leute in ganz Europa attraktiver zu machen, auch für andere Opern zu öffnen – gar für «Hänsel und Gretel».

Das Echo, erwartungsgemäß laut und dramatisch, glich klanglich einer Wagner-Arie, inhaltlich allerdings vorhersehbar borniert.

Gerade in Zeiten, in denen viele Kunst- und Kulturschaffende aufgrund drastischer Sparzwänge um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten müssen, bezeichnete Markus Söder, wie immer der Fackelträger des bayerischen Reinheitsgebots, den Vorschlag, darüber nachzudenken, was mit einem Festspielhaus geschehen könne, das zehn Monate im Jahr leer steht und mit Bundes- und Landesmitteln generalsaniert werden soll, in seiner argumentativ gewohnt unterkomplexen Manier als «Quatsch».

Man kann sich nur vorstellen, wie Richard Wagner, jener monumentale Egozentriker, aus seiner Gruft dröhnte: «Wie bitte? Kinderlieder im Tempel meiner Größe?»

Ach, wenn Wagner noch lebte, er würde gewiss eine Oper darüber schreiben, wie er selbst, der Titan, aus den Fängen der Politik gerettet werden muss. Doch so bleibt uns nur ein Sommertheater der modernen Politik, zuweilen fast ebenso unterhaltsam wie eine Wagner-Inszenierung – nur mit deutlich weniger Heldenmut und einem extra Plus an Spießigkeit.